Fachkommentar: Mag. Pharm. Adelheid Tazreiter
Die zukünftige globale Weiterentwicklung der CoVID-19 Erkrankung hängt direkt vom Immunitätsstatus der Weltbevölkerung ab.
In den letzten 1 ½ Jahren war das Erfassen der akuten Erkrankung durch SARS-CoV-2 das bestimmende Element für die Inzidenz und die Zahl der Hospitalisierten und Intensivpatienten und damit für die von der Regierung verordneten Einschränkungen. Zunächst wurden AG (Antigen)-Schnelltests in großer Zahl durchgeführt, die innerhalb von 15 Minuten das Ergebnis präsentieren – auf Kosten einer sehr hohen Genauigkeit. Es konnten – zwar in geringem Umfang – auch falsch positive oder falsch negative Befunde entstehen. Bei einem positiven AG-Schnelltest musste deswegen über die Telefonhotline 1450 das Ergebnis durch einen aufwendigeren, aber in der Aussagekraft sichereren, PCR-Test überprüft werden. Das ist bis heute so und wird auch so bleiben, um akut Erkrankte in Quarantäne schicken zu können und eine mögliche Weiterverbreitung des Virus rasch zu unterbinden.
Um die Pandemie wirklich auf Dauer einzudämmen, ist jedoch die Höhe der Immunantwort auf das Virus innerhalb der gesamten Bevölkerung das Maß aller Dinge. Denn nur, wenn 70 – 80% der Bevölkerung gegen einen Angriff von SARS-CoV-2 entsprechend geschützt sind, kann dieser Pandemie, die weltweit bereits etwa 5 Millionen (!) Tote gefordert hat, Einhalt geboten werden. Alleine in Österreich sind bis jetzt knapp 11.000 Menschen der Krankheit erlegen. 725.000 Menschen sind genesen, doch viele davon leiden noch immer unter Long-Covid Symptomen. Solange das Virus sich dermaßen weiterverbreiten kann, wird es zudem auch immer neue Varianten („Mutationen“) bilden, die uns dann wieder vor neue Probleme stellen.
Die Immunantwort unseres Körpers auf einen Erreger ist ein HOCHKOMPLEXER VORGANG, an dem verschiedene Organe, Zelltypen und chemische Stoffe beteiligt sind. Hier eine stark vereinfachte Übersicht:
Schafft es ein Erreger (Virus, Bakterium, Pilz, Wurm u.a.) durch die äußeren Barrieren unseres Körpers, läuft unser Organismus zur Höchstform auf, um auf verschiedenen Wegen den Keim unschädlich zu machen und wieder aus dem Körper zu entfernen. Das jedem Menschen angeborene „unspezifische Abwehrsystem“ ist unsere „Feuerwehr“ – es reagiert sofort und arbeitet schnell. Es besteht aus speziellen weißen Blutkörperchen, den Fresszellen (= Makrophagen), die Bakterien, Viren oder andere „gefährliche“ Eiweiß-Körper in sich aufnehmen um sie zu eliminieren. Die Makrophagen werden durch Botenstoffe angelockt, welche auch an der Zerstörung der angreifenden Mikroorganismen beteiligt sind. Das „spezifische Abwehrsystem“ hingegen tritt etwas verzögert in Aktion, wenn es bestimmte Proteine am Erreger (= Antigene) entdeckt. Dann werden B-Lymphozyten aktiviert und über Zwischenschritte Antikörper gebildet, auch als Immunglobuline (Typ A,D,E,G,M) bezeichnet. Treffen diese auf das Antigen, entsteht ein Antikörper-Antigen-Komplex, der abgebaut wird. Parallel dazu werden durch die infizierten Körperzellen T-Lymphozyten mobilisiert, die entweder als Killerzellen gegen die Erreger vorgehen oder, wie auch ihre „Kollegen“ die B-Lymphozyten, Gedächtniszellen bilden, um sich dieses Antigen (diesen Keim) zu „merken“.
GEDÄCHTNISZELLEN BLEIBEN IN HAB-ACHT-STELLUNG und reagieren auch Jahre später beim Kontakt mit diesem Antigen sofort und der Erreger wird rasch eliminiert, ohne dass eine Krankheit ausbricht – man hat Immunität erworben (= man ist immun dagegen).
Für eine schnelle Abwehr bei Kontakt mit dem Erreger (wie das SARS-CoV-2 Virus) muss unser Immunsystem also über ausreichend Antikörper („neutralisierende Antikörper“) verfügen, die das Andocken des Virus an der Zelle unterbinden. Andererseits über einen starken Abwehrmechanismus durch T-Lymphozyten und deren Gedächtniszellen, der für die Zerstörung des Erregers und die Bildung neuer Antikörper zuständig ist.
Gut messbar sind die Antikörper im Blut. Diese entstehen mit einiger Verzögerung nach einer CoVID-19 Erkrankung mit Symptomatik, aber auch wenn der Betroffene eine unbemerkte Infektion durchgemacht hat – und natürlich nach der Impfung.
Beim Nachweis der Antikörper gegen CoVID-19 dreht sich alles um drei Buchstaben: BAU (binding antibody units)/ml Blut. Sie sind jene Einheit, die über das Maß an neutralisierenden Antikörpern im Blut eine Aussagetreffen – und damit für viele die Entscheidungsgrundlage für eine Drittimpfung oder die Verlängerung des Genesenen-Status oder auch eine Grundimmunisierung darstellen. Die Deutung des Wertes ist noch eine etwas unsichere Sache.
Ab einem WERT VON 100 BAU/ML ist die Situation klar: ein Schutz besteht – so die Aussage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Zeit.
Im niedrigen Bereich unter 60 BAU/ml Blut ist die Interpretation schwieriger. Derzeit scheint der Schwellenwert für einen sicheren Schutz zwischen 50 und 60 BAU zu liegen – muss aber immer mit dem Referenzwert des jeweiligen Labors verglichen werden! Denn es gibt verschiedene Tests- und Auswertungssysteme, die dann von Labor zu Labor zu unterschiedlichen Referenzwerten führen. Ein Vergleich mit den Werten der Familie oder der Arbeitskollegen ist daher nicht sinnvoll, wenn diese nicht im gleichen Labor ausgewertet wurden. Auf dem Blutbefund befinden sich manchmal auch andere Messergebnisse unter der Rubrik „SARS-CoV-2-Antikörper“. Zum Beispiel Werte mit der Einheit AU/ml, welche sich vom Wert mit der Einheit BAU/ml sehr unterscheiden. Die WHO verwendet standardmäßig nur die Ergebnisse mit der Einheit BAU/ml, sodass diese auch zum weltweiten Vergleich und als Maßstab für Empfehlungen herangezogen werden können.
So bedeutend der Antikörper-Test im Blut für die Beurteilung der epidemiologisch wichtigen „Herdenimmunität“ ist, so hat er im Moment (noch) einen großen Nachteil: er ist sehr aufwendig und teuer. Ein flächendeckender Einsatz wie beim Antigen-Test ist daher im Moment nicht möglich. Jedoch wird international bereits fieberhaft an Testsystemen gearbeitet, die die Beurteilung des Antikörper-Ausmaßes für jeden Betroffenen rasch und zu einem vernünftigen Preis erlauben.
Stand Oktober 2021
Der Artikel Antikörper ist erstmals auf APOgesund.at erschienen.