Fachkommentar: Mag. Pharm. Adelheid Tazreiter |

Unscheinbare Helden

Es weiß jeder. Schon die Kleinen lernen es – dafür sorgt schon die fürsorgliche Oma. Ärzte und ApothekerInnen verkünden es bei jeder Gelegenheit.

Und auch die Medien stürzen sich anlässlich der Frühjahrsmüdigkeit und während der Erkältungssaison drauf. Neuerdings hat eine Supermarkt-Kette sogar das Werbepotential in dieser Weisheit erkannt: Vitamine und Mineralstoffe sind gesund.

Gehört haben wir es hundertmal, doch haben wir es hinterfragt? Uns erkundigt, welche Substanzen „Vitamine und Mineralstoffe“ eigentlich sind? Und was sie wirklich können?

Ein Exkurs in die Biochemie liefert wichtige Antworten.

In unserem Körper spielen sich in jeder Sekunde, die wir leben, tausende chemische Reaktionen zeitgleich ab. Sie ermöglichen dem Organismus, die einzelnen Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen, die aufgenommene Nahrung aufzuspalten und in verwertbare kleine Moleküle zu verwandeln, Energie zum Leben zu gewinnen, Gehirnprozesse zu steuern und noch viel mehr – mit einem Wort: gesund und funktionstüchtig zu bleiben. Die chemischen Vorgänge in unserem Inneren spielen sich zwischen körpereigenen und durch die Nahrung aufgenommenen Stoffen ab und brauchen dafür häufig so genannte Bio-Katalysatoren. Diese sorgen dafür, dass die Reaktionen überhaupt oder in notwendiger Geschwindigkeit ablaufen. Zumeist handelt es sich um Enzyme, die im Körper als Katalysatoren wirken. Doch die meisten von ihnen benötigen entsprechende Vitamine oder Mineralstoffe, um arbeiten zu können.

Das alleine erklärt schon die große Bedeutung von Vitamin und Co. für das Leben, jedoch reicht ihre Wirksamkeit weit darüber hinaus: So sind sie neben den Stoffwechselvorgängen auch am Aufbau lebenswichtiger Strukturen und Organe beteiligt, wie z.B. Körperzellen, Knochen, Blutbestandteilen und anderen. Damit also unser Körper optimal funktioniert, braucht es – neben anderen wichtigen Bausteinen – eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, die praktisch zur Gänze mit der Nahrung zugeführt werden müssen, weil unser Organismus sie nicht selbst herstellen kann. Man bezeichnet sie daher als essentiell.

Alles, was wir uns einverleiben, wird im Magen und Darm zerlegt und in den Körperkreislauf aufgenommen. Nur, was gar nicht verwertet werden kann, sucht seinen Weg aufs stille Örtchen. Während etliche – ebenfalls notwendige – Grundbausteine der Nahrung (Aminosäuren, Kohlenhydrate, Fette, Wasser) in einer Vielzahl von Lebensmitteln vorkommen und wir daher bei unseren Ernährungsgewohnheiten meist im Übermaß damit versorgt sind, finden sich die unterschiedlichen Vitamine und Mineralstoffe oft nur in bestimmten Gemüse- oder Obstsorten oder anderen speziellen Nahrungsquellen. Die richtige Zusammensetzung der Kost spielt daher eine gewichtige Rolle, ob unser Körper wirklich kriegt, was er braucht – ganz nach dem Motto: Man ist, was man isst.

Damit wir unsere Ernährung so gestalten, dass wir nachhaltig gesund bleiben, müssen wir uns damit näher auseinandersetzen und auch ein wenig Zeit investieren.

Schon beim Einkaufen gilt es zu schauen, welche Inhaltsstoffe in den ausgewählten Lebensmitteln stecken. Die Kenntnis, wieviel wir pro Tag von welchem Nährstoff in etwa benötigen, ermöglicht es erst, unsere Mahlzeiten nach diesem Bedarf zusammenzustellen. Bioerzeugnisse aus der Region sind in der Regel reicher an wichtigen Nährstoffen als weitgereiste – jedoch preisgünstigere – Produkte aus Massenlandwirtschaft. Und damit die Vitamine und Mineralstoffe aus den gekauften Nahrungsmitteln tatsächlich in unserem Körper ankommen, müssen Speisen frisch und schonend zubereitet werden. Eine gesunde Ernährung ist also (auch) in der heutigen Zeit durchaus möglich, es erfordert aber einiges an Grundwissen sowie Zeit und in der Stadt wohl auch ein dickeres Geldbörsel.

Vitamine teilen sich je nach chemischer Struktur in wasserlösliche und fettlösliche. Zu den wasserlöslichen Vitaminen zählen alle B-Vitamine und Vitamin C. Was der Körper von diesen Vitaminen nicht braucht, wird einfach ausgeschieden (außer Vitamin B12). Fettlöslich sind die Vitamine A, D, E und K. Sie werden im Fettgewebe oder in der Leber gespeichert, daher ist bei diesen Vitaminen im Extremfall auch eine Überdosierung möglich (Vorsicht z.B. bei Vitamin A-Gaben in der Schwangerschaft).

Mineralstoffe sind anorganische Substanzen, die in großer Zahl an Stoffwechselvorgängen im menschlichen Organismus beteiligt sind. Man unterscheidet Mengenelemente, die in einer höheren Konzentration im Körper vorzufinden sind von den in geringeren Maß vorkommenden Spurenelementen.

  • Mengenelemente sind: Kalzium, Chlor, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphor und Schwefel
  • Zu den Spurenelementen gehören: Eisen, Jod, Chrom, Kupfer, Selen, Zink, Mangan (u.a.)

Der in Tabellen und Fachbüchern empfohlene Tagesbedarf ist auf einen gesunden männlichen bzw. weiblichen Erwachsenen (oder Kind) ausgelegt. Der Bedarf ändert sich jedoch mit Alter, Geschlecht, Aktivitätsgrad, Vorliegen einer Schwangerschaft, Einhalten bestimmter Diäten (z.B.: vegane Ernährung), Rauchen oder Nichtrauchen, Erkrankungen, Einnahme von Medikamenten und anderem.

Von den meisten Vitaminen und Mineralstoffen benötigen wir geringe Mengen pro Tag, die im mg (Milligramm)-Bereich liegen. Von einigen Stoffen brauchen wir ein oder mehr g (Gramm) wie etwa von Natrium, Chlor, Kalium und Calcium. Von anderen genügen Spuren (einige mcg = Mikrogramm): Vitamin D, Vitamin K, Folsäure; Vitamin B12, Jod, Selen, Chrom u.a.

Mangelerscheinungen bemerken wir lange nicht, erst spät zeigen sich entsprechende Symptome – da läuft der Körper schon längst auf Reserve und die Speicher sind leer.

Die Deckung des Tagesbedarfs aus der Nahrung und/oder Mikronährstoff-Produkten dient dazu, den gesunden Organismus funktionstüchtig zu erhalten.

Treten bereits Defizite auf, müssen die fehlenden Vitamine und Mineralstoffe höher dosiert werden, um den Mangel auszugleichen.

Bei etlichen Erkrankungen benötigt der Körper bestimmte Nährstoffe in Übermaß, um wieder genesen zu können. In diesem Fall werden Mikronährstoffe therapeutisch eingesetzt und entsprechend sehr hoch dosiert. Solche Präparate gehören in den Bereich der so genannten orthomolekularen Medizin und sind nicht mit „gewöhnlichen“ Nahrungsergänzungsmitteln zu vergleichen. Orthomolekulare Produkte erfüllen besondere Kriterien:

  • Es werden nur Substanzen verwendet, die der Körper kennt (so es irgendwie geht). Auf künstliche Farbstoffe, Konservierungsmittel oder Hilfsstoffe, die nicht auch in den Grundnahrungsmitteln vorkommen, wird komplett verzichtet.
  • Die eingesetzten Wirkstoffe verfügen über eine hohe biologische Verfügbarkeit, das bedeutet, dass der Organismus sie gut verwerten kann und sie in einem hohen Prozentsatz und rasch in den Blutkreislauf gelangen.

Achtung
Vor der Anwendung von Mikronährstoffhaltigen Mitteln (z.B.: „Multivitaminpräparate“) sowie orthomolekularen Produkten ist eine Beratung durch eine/n entsprechend ausgebildeten Arzt oder ApothekerIn sehr zu empfehlen, da auch Wechselwirkungen mit Medikamenten oder bei langfristiger sehr hoher Dosierung Nebenwirkungen auftreten können.